Nach einem verunglückten Anlauf 2000 (Kettenprobleme - schon mal versucht, in Norditalien eine Motorradkette aufzutreiben?) haben wir uns für Juli 2002 neuerlich eine Tour durch die österreichischen und italienischen Alpen vorgenommen. Wir, das sind Mario und ich. Mario fährt eine Yamaha TDM 850, ich meine dem Leser ohnehin bekannte Honda CB Sevenfifty.
Morgens fuhren wir auf der Autobahn (A1) Richtung Salzburg, anschließend südwärts die Tauernautobahn. Dann Abfahrt Bischofshofen, weiter nach Bad Hofgastein. Dort gibt es nämlich einen Autoreisezug quer durch die Tauern, den wir schon 2000 benutzt hatten. Zu unserer Enttäuschung werden jedoch keine Motorräder mehr befördert. Der Mann am Schalter forderte uns äußerst unfreundlich auf, umzukehren. Soviel zum Slogan "Schiene statt Straße" der Österreichischen Bundesbahnen.
Schnell entschlossen wir uns, statt dessen die Großglockner-Hochalpenstraße zu benutzen. Diese ist zwar mautpflichtig, aber die Tauernschleuse hätte auch Geld gekostet. Die Fahrt über die Glocknerstraße kostet übrigens pro Motorrad 17 Euro. Wenn man die "Pasterze", den großen Gletscher besuchen will, gibt's dort sogar eine eigene Spur nur für Motorräder, auf der man freie Fahrt hat. Autos müssen nämlich am Ausgangspunkt der Abzweigung warten, bis oben im Parkhaus ein Platz frei wird, für Motorräder ist direkt am Aussichtsplatz ein großer Parkraum eingerichtet - und können somit ohne Wartezeit durchfahren.
Das Wetter war etwas dunstig, und es kündigten sich Gewitter an. Dennoch genossen wir den Glockner. Ist schon ein Pflichttermin für alle, die die Alpen kennenlernen wollen. Und die Maut wirklich wert.
In Osttirol bei Sillian überquerten wir die Staatsgrenze und befanden uns somit in Italien (ich führe übrigens ab hier hinter den deutschsprachigen Namen in Klammer auch die italienischen Bezeichnungen an).
Schlagartig wurden die Straßen (und das Wetter) schlechter. Aber solange es noch trocken war, wollten wir unbedingt weiter. In Innichen (San Candido) bogen wir ab, über den Kreuzbergpass (Pso. M.Croce di Comelico) nach Auronzo (Auronzo di Cadore). Von dort über den Pso. di Tre Croci nach Cortina D'Ampezzo. Da es schon dämmerte (und endgültig zu regnen begann), beschlossen wir, uns um ein Nachtquartier umzusehen. Doch Cortina ist ein wirklich teures Pflaster. 70 Euro die Nacht. Also, wirklich! Somit fuhren wir weiter, in Richtung Falzarego-Pass (Pso. di Falzarego), aber kurz vor dem Sattel ist eine Abzweigung in ein Nebental, der Pso. di Giau. Und hier begann ein echter Abenteuerurlaub. Die Bezeichnung "Straße" ist etwas irreführend, es dürfte sich dabei mehr um einen Feldweg handeln. Löcher im Asphalt - also, wenn Du da mit der Vespa reinfällst, kommst Du nie wieder raus ☺. Der Belag (sofern überhaupt vorhanden), war durch den Regen extrem rutschig. Ausserdem gelten Leitplanken oder andere Absicherungen als Luxus. Vielleicht mal ein Begrenzungsstein, das war's schon. Keinerlei Markierungen, klaro. Bergauf ging es ja noch, aber die Abfahrt mutierte zur Mutprobe. Schlechte Sicht durch Regen am Visier und Dämmerung. Spitze Kehren, die plötzlich ohne Ankündigung vor dir auftauchen. Und mittendrin ein Bus, der mehrmals reversieren muss...
Außerdem wurde die scheinbar doch handlichere TDM von Mario mit den Straßenverhältnissen besser fertig. Vielleicht liegt's auch am Können des Fahrers, Mario hat solche Touren schon mehrmals gemacht, ich war das erste Mal in den italienischen Dolomiten. In der Nähe des Bergdorfes Costa fanden wir ein günstiges Hotel (26 Euro mit Frühstück), gleich gegenüber eine kleine Pizzeria. Was bei dem Gewitter, das jetzt losbrach, kein Nachteil war.
Morgens regnete es noch immer wie aus Kübeln (für meine deutschen Freunde: das sind Eimer). Also ließen wir uns Zeit. Gemütlich Frühstücken. Und siehe da, ganz plötzlich klarte es auf, und die Sonne schien. Und zwar wirklich innerhalb von Minuten.
Ein Stück fuhren wir dann auf der "Großen Dolomitenstraße" (Strada Statale 48) Richtung Pordoi-Joch (Pso. di Pordoi).
In Canazei ging's Richtung Karerpass (Pso. di Costalunga) weiter, zum Nigerpass (Pso. Nigra). Ist eher unbekannt, und nicht ganz leicht zu finden, aber einen Abstecher allemal wert. Ausserdem gibt's kurz vor Blumau (Prato all'Isarco) eine kleine Seitenstraße nach Triers (Tires). Diese Straße hat ein Gefälle von bis zu 27% - und ist damit meines Wissens die steilste Strecke in den Alpen. Kurz nach Blumau liegt dann die Hauptstadt Südtirols, Bozen (Bolzano). An dieser Stelle ein paar Impressionen aus "Alto Adige", wie Südtitol auf Italienisch heißt:
Gleich nördlich von Bozen, in Richtung Sarnthein (Sarentino) liegt die Burg Runkelstein (Castel Roncolo).
Nach Sarnthein ging es über das Penser Joch (Pso. Pennes) nach Sterzing (Vipiteno). Dann über den Jaufenpass (Pso. di Monte Giovo).
Dann führte uns unser Weg schon wieder zurück nach Österreich, über das Timmelsjoch (Pso. del Rombo). Hier hatten wir noch eine der interessantesten Begegnungen unserer Fahrt. Das Timmelsjoch ist übrigens (auf österreichischer Seite) mautpflichtig, und somit sehr schön ausgebaut - auch das "ausgebaut" bezieht sich ausschließlich auf den österreichischen Teil.
Die erste österreichische Ortschaft ist Sölden. Obwohl es schon sehr spät war, fuhren wir aber noch weiter durch Imst nach Silz, wo wir in einer kleinen Gästepension die Nacht verbrachten. Da wir die einzigen Gäste waren, unterhielten wir uns morgens beim Früstück sehr nett mit der Wirtin. Typisch tirolerisch endet genau jeder zweite Satz mit einem gedehnten kehligen "Gölllllll" (Sorry an meine deutschen Leser, das ist kaum übersetzbar, vergleichbar etwa mit "Gell", als Frage am Ende eines Satzes). Für Leser aus Vorarlberg und der Schweiz ist diese Floskel übrigens zu übersetzen mit "Odrrrrrr" (Für Deutschland: "Oder").
Dann los Richtung Innsbruck. Dort wurde dann der Verkehr wirklich zu stark (es war der letzte Schultag), und wir fuhren auf die Inntalautobahn (A12). Bei Wörgl wieder ab, nach St. Johann in Tirol. Dann über den Grießenpass nach Saalfelden.
Noch zwei letzte Alpenpässe (die aber mit den Hochalpenpässen in keinster Weise mehr zu vergleichen sind - aber als Ausklang ideal), den Filzensattel und den Dientner Sattel, und wir waren wieder in Bischofshofen. Dann wieder eine Autobahntour zurück.
Immerhin - in drei Tagen mehr als 1300 km abgespult - das ist schon was. Was haben wir gelernt? Nun, erstens ist die TDM scheinbar handlicher als mein Vierzylinder. Was wir noch gelernt haben, ist, dass Mario eine andere Schule bezüglich Verkehrsregeln besucht hat. Eine durchgehende weiße Linie in der Mitte der Straße ist für meine Begriffe eine Sperrlinie. Mario kennt dieses Problem nicht. Ausserdem ist er der fixen Überzeugung, dass diese eigenen Spuren in der Stadt, die mit "BUS" markiert sind, für ihn persönlich gemacht wurden. Ist in seiner Überzeugung nur ein Schreibfehler: muss nämlich lauten: "MUS" - "Mario's Ueberhol-Spur" ☺.